Institut für Genealogie® und Heraldik


Definitionen


»Anfänglich bestand ein Rittergut meist nur aus dem „Rittersitz“, der oft eine Burg oder ein sonst befestigtes „Haus“ war und wozu auch einige Hufen Land, vor allem aber die Zinsen, Pächte, Abgaben und Dienstleistungen wie Hand- und Spanndienste der Untertanen gehörten.  Sie bildeten die Existenzgrundlage des damit belehnten Ritters, der als Gegenleistung seinem Lehnsherrn ständig, gegebenenfalls mit Knecht, Pferd und Waffen zu Diensten stehen mußte.  Zunächst war es durchaus üblich, daß es in dem selben Dorf mehrere Anteilsbesitzer gab.

An vielen Beispielen wird deutlich, wie sich die militärischen und wirtschaftlichen Verhältnisse änderten und sich allmählich abgerundete Rittergüter herausbildeten, wobei ihre Besitzer immer stärker die Wirtschaftsführung selbst übernahmen, was dazu führte, daß die Bauern immer stärker mit Diensten belastet wurden, in Abhängigkeit gerieten, und oft sogar um ihr Land gebracht wurden.«  (v. Houwald, Die Niederlausitzer Rittergüter und ihre Besitzer, 1996)

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»Rittergüter sind meistentheils ländliche Grundstücke, die mit gewissen näher erläuternden Gerechtsamen belegt und deren Besitzer zu einer Korperation (ritterschaftlicher Kreisverein) vereinigt sind.

Der Begriff Rittergut und die damit verbundenen Rechte sind aber nicht nothwendig mit einem Gebäude oder Feld verbunden, sondern es giebt deren auch, die nur in Gerechtsamen bestehen und wegen der activen Wahlfähigkeit für die Besitzer von höherem Werthe sind, als dies a priori erscheint.  Das Fortbestehen solcher Rittergüter aber ist eine noch offene Frage, die schon mehrfach in Erwägung gezogen worden ist.

In Bezug auf die Erwerbungsart und die Veräußerung haben die Rittergüter verschiedene Qualitäten.  Einmal sind sie entweder Mann- oder Mann- und Weiberlehn, oder Allodium, zweitens aber Majorate oder Fideicommisse.

Der Unterschied zwischen Lehen und Allodium besteht darin, daß letztere freies Eigenthum mit unbeschränktem Verfügungsrecht sind, während erstere, als ursprüngliches Eigenthum eines Andern, von diesem nur unter gewissen Bedingungen an Jemand verliehen, d. h. zur Benutzung übergeben worden waren und wobei das Verfügungsrecht über dieselben beschränkten Gesetzen unterliegt.

Männer- und Weiberlehn aber sind darin unterschieden, daß bei ersteren blos Männer, bei letzteren auch Weiber die Lehn erwerben können.

Majorate aber und Fideicommisse, mögen sie nun freies Allodium oder Lehen sein, sind dadurch von andern Besitzungen unterschieden, daß ihr Besitz und ihre Vererbung von gewissen Bedingungen, meist Familienstatuten, abhängig gemacht ist, welche selbstverständlich obrigkeitlicher Bestätigung bedürfen, namentlich, wenn sie Gläubigern gegenüber rechtliche Gültigkeit haben sollen.«

 »Mit Lehen - feudum - bezeichnet man eine, vom Besitzer, dem Lehnsherrn, - dominus - an einen Andern dem Lehnsmann - vasalles - zum Gebrauch übergebene Sache oder Recht (z. B. Aemter), wofür der Belehnte einen Gegendienst zu thun verpflichtet ist.

Das Verhältniß der Lehnsherrn wird auch mit manus dominans im Gegensatz zu manus serviens bezeichnet.

Der Lehnsherr hat das Obereigenthum - dominum directum - an der Lehen, während der Vasall nur das dominum utile, das Nutzungsrecht, daran besitzt.

Die vom Lehnsmann zu leistenden Gegendienste können verschieden sein.

Bei den Rittergütern bestanden sie zunächst, ohne deshalb noch andere Dienste auszuschließen, allemal aus Kriegsdiensten.  Nach dem dreißigjährigen Kriege jedoch, wo die Kriegskunst eine so bedeutende Umgestaltung erlitt, wurde ein persönlicher Kriegsdienst der Vasallen nicht mehr beansprucht und daher durch eine Geldleistung - das Ritterpferdgeld - quasi abgelöst, bis mit der allgemeinen Steuerpflicht der Rittergüter auch dieses in Wegfall kam.«  (v. Biedermann, Über die Rechte und Pflichten der Rittergutsbesitzer, 1860)

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»Auf dem einem Rittergute zustehenden Rechte der Ober- oder blos der Erbgerichtsbarkeit beruht in der Regel die Eintheilung der ersteren in schriftsässige und amtssässige.

Zwar ist die Schriftsässigkeit kein nothwendiges Antecedens der Obergerichtsbarkeit, denn der Besitz schriftsässiger Rittergüter befähigt eo ipso noch nicht zur Ausübung der peinlichen Gerichtsbarkeit, aber gewöhnlich war es, dass die Rittergüter, welche schriftsässig, auch zugleich die Obergerichtsbarkeit über die dazu gehörigen Dörfer und Unterthanen erlangt haben.  An und für sich besteht Schriftsässigkeit eines Rittergutes in der Eigenschaft desselben, vermöge welcher der Besitzer nicht schuldig ist, vor einer Unterobrigkeit, dafern sie dazu nicht von einem höheren Richter Auftrag erhalten hat, Recht zu leiden, oder auf die daselbst wider ihn erhobenen Civilklagen sich einzulassen; während die Amtssässigkeit eines Rittergutes den Besitzer eines solchen verpflichtet, vor dem Amte Recht zu erleiden, in welches das Gut einbezirkt ist.

Offenbar beruhen diese Verschiedenheiten der Rechte der Rittergüter hinsichtlich des Gerichtsstandes auf der Verschiedenheit der Stellung und der Rechte ihrer früheren Besitzer, und das ist um so wahrscheinlicher, als mit dem Besitze eines schriftsässigen Rittergutes auch noch das Recht der unmittelbaren Landstandschaft verknüpft ist, kraft dessen die schriftsässigen Rittergutsbesitzer (wenn sie die Ahnenprobe abzulegen im Stande waren) Mann für Mann auf den Landtagen erscheinen durften, während die amtssässigen nur durch einige Deputirte vertreten werden konnten.  Die schriftsässigen Rittergüter sind demnach mit nur geringen Ausnahmen ältere Ritterlehne als die amtssässigen, und aus diesem grossen Alter erklären sich die grösseren Rechte nicht nur hinsichtlich der Landstandschaft (in welchem Betreff auch noch ein Unterschied zwischen den Besitzern alt- und neuschriftsässiger Güter gemacht wurde) und des Gerichtsstandes, sondern auch der Gerichtsbarkeit.

Die Besitzer altschriftsässiger Rittergüter erhielten Auslösung auf den Landtagen, die Besitzer neuschriftsässiger Güter dagegen nicht.  Als neuschriftsässige Rittergüter sind die zu betrachten, die erst nach dem J. 1661 die Schriftsässigkeit erlangt haben.«  (Engel, Jahrbuch für Statistik und Staatswirthschaft des Königreichs Sachsen, 1853)

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»Vom Stande der Rittergutsbesitzer.

Werfen wir einen Blick auf die Geschichte der politischen Stellung der Rittergutsbesitzer, so gelang es vielen unter ihnen, sich in dem Verhältnisse einer unmittelbaren Beziehung zu Regierung und frei von dem Einflusse der Provinzialbeamten zu erhalten und dieselben Verhältnisse, die ihnen die Behauptung dieser Rechte möglich machten, ließen sie noch andere Vorzüge erwerben.  Daher der Unterschied zwischen schriftsässigen und amtssässigen Rittergutsbesitzern; eine Trennung, die in Hinsicht auf den Gerichtsstand sich in den neuern Zeiten zum Vortheile der Amtsassen weniger schroff gestaltet hat, in Bezug auf Vertretung beim Landtage, seit der veränderten Verfassung, verschwunden ist.  Durch die Verf.-Urk. (§. 63.-66.) werden nämlich eine Zahl Rittergutsbesitzer mittelst Wahl zu Landtagsversammlungen gezogen, die das erlangte Recht auf ihre Stellen in der ersten Kammer behalten, so lange sie die Würde, durch welche sie ernennungsfähig waren, bekleiden.  Da sich von ihnen die Besitzer der Standes- und Schönburgischen Herrschaften wesentlich nicht unterscheiden, so stimmen in der ersten Kammer 27 Herrschafts- und Rittergutsbesitzer gegen 16; dagegen in der zweiten Kammer blos 20 Rittergutsbesitzer gegen 25 andere Mitglieder.  Rittergüter giebt es übrigens im Meißner Kreise 277, im Erzgebirgischen 123, in der Oberlausitz 271, im Leipziger Kreise 236, im Voigtlande 120.  Ein Verzeichniß der Rittergüter liegt der Verordnung vom 6. Nov. 1832 (Gesetzsammlung S. 425.) bei.

Aber nicht ganz so wie in den Erblanden, gestalteten sich seither die Verhältnisse der Rittergutsbesitzer in der Oberlausitz.

Die Standesherrschaften (Königsbrück und Reibersdorf), welche sich von den gewöhnlichen Rittergütern durch höhere politische Rechte, durch einige Ehrenvorzüge und namentlich dadurch auszeichnen, daß sie rittermäßige Afterlehngüter haben, ungerechnet, hatten ehedem die Rittergüter der Oberlausitz, (von denen keine zu der Zahl der Domainen gehören), folglich auch ihre Besitzer, höhere Rechte, die ihnen in vielen Beziehungen vor den erbländischen zustanden.  Dies hatte wahrscheinlich in dem Umstande seinen Grund, daß sie als aufgetragene Lehen anzusehen waren, und daß die Oberlausitz lange Zeit ein entlegenes, unsicheres Besitztum eines größern Reiches war.  Der Unterschied der in den alten Erblanden zwischen Schriftsassen und Amtssassen vorkommt, findet in der Oberlausitz nicht Statt, da sich in ihr alle auf einer den Verhältnissen der Schriftsässigkeit ähnlichen Stufe behaupteten.  Wenn aber überhaupt eine nach und nach zu bewirkende Gleichstellung der Oberlausitz mit den alten Erblanden seither bezweckt wurde, so ertheilt die „Urkunde, die durch Anwendung der Verfassung des Königreichs Sachsen auf die Oberlausitz bedingte Modification der Particular-Verfassung dieser Provinz betreffend“ (Sammlung der Gesetze und Verordn. pag. 482.) §. 4. den oberlausitzer Vasallen die Zusage, daß es in Bezug auf ihre, durch frühere Verträge, auch landesherrliche zum Theil titulo oneroso (d. h. lästiger Weise oder mit übernommener Beschwerde) erlangte Privilegien und Versicherungen begründeten, Lehnsverhältnisse bei den bestandenen Einrichtungen verbleiben solle.  Insbesondere soll es auch fernerhin dabei bewenden, daß bei Veränderungen in der Person des Lehnsherrn die Lehn nicht von jedem einzelnen Vasallen, sondern in einer gemeinschaftlichen ständischen Schrift für die ganze Provinz gemuthet (d. h. förmlich darum angesucht) werde.

Was nun die Vorrechte aller Rittergutsbesitzer, sie mögen von adligen oder bürgerlichen Stande sein, anlangt, so gehören dahin 1) die Befreiung von den gewöhnlichen Grundsteuern und einigen andern Abgaben.  Diese Befreiung erstreckt sich auch auf die auf Ritterguts- Grund und Boden erbauten Häuser.  2) Befreiung von Einquartirung und 3) von der Fleischsteuer.  Diese Immunität fällt weg, da die Abgabe selbst durch Mandat v. 4. November 1833 (Ges. S. Nr. 52.) §. 4. aufgehoben worden ist.  4) Befreiung von der Tranksteuer in Ansehung desjenigen Bieres, welches Rittergutsbesitzer zu ihrer Haushaltung brauchen, und in ihren eigenen Brauhäusern brauen lassen (freier Tischtrunk).  Auch diese Abgabe ist indeß aufgehoben durch das angezeigte Mandat vom 4. November 1833. §. 4.  Uebrigens ist über die an deren Stelle eingetretene Biersteuer das Mandat von 4. November 1833 (Ges. S. Nr. 54. §. 22-82) zu vergleichen.  Von einer Immunität des Adels hinsichtlich dieser Steuer ist weder in diesem Gesetz noch in einem zweiten von demselben Datum (Ges. S. Nr. 61.) die Rede.  Endlich gehört 5) auch hierher, daß a. die Edictalcitation bei den Concurs zu dem Vermögen eines Rittergutsbesitzers eine dreifache sächsische Frist (d. i. dreimal 6 Wochen 3 Tage) enthalten muß; b. daß wenn ein Rittergut durch nothwendige Subhastation veräußert werden soll, die Subhastationspatente an den Rathhausthüren zu Dresden und Leipzig, und noch einer Stadt des engern oder weitern Ausschusses desjenigen Kreises, in welchem das Rittergut gelegen, wie auch an das Amthaus desjenigen Amts, wohin das Rittergut einbezirkt ist, wenigstens 8 Wochen vor dem Termine und zwar an einem und demselben Tage angeschlagen werden müssen.  Auch dies Vorrecht ist nach Gesetz vom 27. Oct. 1834. §. 3. (Ges. S. Nr. 67) in Wegfall zu bringen.  c. Daß der Ersteher des Ritterguts die Hälfte des Gebots entweder sogleich im Adjudicationstermine, oder wenigstens 4 Wochen nach der nächsten Leipziger Oster- oder Michaelismesse erlegen müsse.

Zuweilen wird zu den besonderen Gerechtsamen der Rittergüter auch die Patrimonialgerichtsbarkeit, das Patronatrecht, die niedere Jagd, und das Recht Frohndienste von den Unterthanen zu verlangen, gezählt; es läßt sich aber keineswegs behaupten, daß diese Rechte allen und jeden Rittergutsbesitzern zuständig seien, oder das sie mit der Qualität eines Ritterguts schlechterdings verbunden sein müßten.  Diese Rechte können anders nicht als durch besondere Verträge, landesherrliche Concessionen und durch Verjährung erlangt werden.

Nach der neuesten Gesetzgebung und bis eine neue Organisation der Gerichte erster Instanz eintritt, werden Besitzer von mit eigner Gerichtsbarkeit versehenen Grundstücken, welche in ihrem Gerichtsbezirke ihren wesentlichen Wohnsitz haben, ingleichen Schriftsässige, bei dem königlichen Justizamte oder Justitiariate, in dessen Bezirke sie wohnen (in der Oberlausitz bei dem Kreisamte), ihren Gerichtsstand bekommen.  Man vergl. das bereits oben angez. Gesetz, über privilegirte Gerichtsstände und einige damit zusammenhängende Gegenstände; vom 28. Januar 1835.«  (Polet, Das Königreich Sachsen in allen seinen Beziehungen, 1840)


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